
Dr. Bierich informiertMangelnde Bestimmtheit einer Abmahnung
In einem bestehenden Arbeitsverhältnis ist die Abmahnung von hoher Relevanz. Denn sie ist in der Regel die Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung, wenn das Kündigungsschutzgesetz im jeweiligen Einzelfall zur Anwendung kommt. Zwar unterliegt die Abmahnung keinem Formzwang und kann auch mündlich ausgesprochen werden, wobei davon zur Vermeidung von erheblichen Beweisproblemen unbedingt abzuraten ist. Allerdings muss der Arbeitgeber bei Ausspruch einer Abmahnung dem Arbeitnehmer stets hinreichend deutlich machen, welches konkrete Fehlverhalten er beanstandet. Anderenfalls kann der Arbeitnehmer verlangen, dass der Arbeitgeber die Abmahnung aus der Personalakte entfernt. Mit der Frage, wie weit die Pflicht des Arbeitgebers zur Konkretisierung des Vorwurfes gehen kann, hat sich das Arbeitsgericht Düsseldorf aktuell befasst (Urteil vom 12.01.2024, Az. : 7 Ca 1347/23).
Was war passiert: Ein bei einer obersten Bundesbehörde beschäftigter Arbeitnehmer war zuständig für die schriftliche und persönliche Antragsannahme sowie Aktenanlage in Asylverfahren. Der Personalabteilung wurden am 27.12.2022 diverse Vorwürfe von Kollegen betreffend den Arbeitnehmer und späteren Kläger bekannt. Dieser hatte sich unter anderem unangemessen über eine bei der Behörde tätige Referentin sowie über Asylbewerber aus Afghanistan geäußert. In einem Personalgespräch am 04.01.2023 wurde der Arbeitnehmer mit diesem Sachverhalt konfrontiert; allerdings bestritt er, die ihm vorgeworfenen Äußerungen getätigt zu haben. Auf seine Nachfrage wurden ihm die Namen der beschwerdeführenden „anderen Mitarbeiter“ nicht benannt; diese seien eingeschüchtert und hätten sich vertraulich an die Personalabteilung gewandt. Am 22.02.2023 erteilte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abmahnung wegen seines Verhaltens. Dieser klagte auf deren Entfernung aus der Personalakte.
Zu Recht, so das Arbeitsgericht Düsseldorf. Es sei unerheblich, ob der Kläger sich tatsächlich in der ihm vorgeworfenen Art und Weise verhalten habe. Die Abmahnung sei inhaltlich unbestimmt, da der beklagte Arbeitgeber die ihm zum Zeitpunkt der Abmahnung namentlich bekannten „anderen Mitarbeiter“ in der Abmahnung nicht benannt habe. Denn die Anforderungen an die Konkretisierung der in der Abmahnung enthaltenen Rüge müsse sich an dem orientieren, was der Arbeitgeber wissen kann. Im zu entscheidenden Fall sei die in der Abmahnung enthaltene Rüge nicht hinreichend konkretisiert. Der Arbeitnehmer müsse durch die namentliche Nennung der Zeugen die Möglichkeit haben zu überprüfen, ob die Abmahnung richtig ist oder nicht. Pauschale Vorwürfe erfüllen die inhaltlichen Anforderungen an eine Abmahnung dagegen nicht, so das Gericht. Und einen möglichen Konflikt zwischen dem Kläger und den „anderen Mitarbeitern“, deren Aussagen der Arbeitgeber vertraut, müsse dieser hinnehmen. Der Kläger habe daher im Ergebnis einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, da diese zu Unrecht erteilt wurde.
Dr. jur. Andreas Bierich, Fachwanwalt für Arbeitsrecht
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